Hobbyzucht und Rassegeflügelzucht im Wandel der Zeit, Unterschiede und Gemeinsamkeiten.

Die Welt unterliegt einem stetigen Wandel. Unsere Gesellschaft muss auf diese Veränderungen reagieren und sich ihnen anpassen, um fortzubestehen, um auch in der Zukunft zu funktionieren. Das gilt für alle Bereiche unseres Lebens, egal ob Arbeit oder Freizeit. Alles verändert sich. Oft zwar langsam, kaum merklich, aber immer kontinuierlich.

 

Auch unser Hobby, die Rassegeflügelzucht, blieb in der Vergangenheit davon nicht verschont, und wird es auch in der Zukunft nicht werden. Viele Rassegeflügelzuchtvereine haben mittlerweile bereits ihr hundertjähriges Bestehen gefeiert und sind somit eigentlich ein Beispiel für Kontinuität und Beständigkeit. Aber auch in diesem Bereich haben sich, besonders in den beiden letzten Jahrzehnten, teilweise dramatische Veränderungen ergeben.

 

Eine der Hauptantriebsfedern der Gründer dieser Vereine war sicher der Erhalt alter Geflügelrassen und damit auch der Bewahrung alten Kulturgutes. Das hat sich bis zum heutigen Tage nicht geändert. Etwas anders sieht es da schon bei einem anderen Aspekt aus, der den damaligen Vereinsmitgliedern ebenso wichtig war: Die Versorgungslage der Familie zu verbessern. Gerade während und direkt nach den Kriegen, war das ein sehr wichtiger Aspekt. Als dann ab den 50er Jahren das deutsche Wirtschaftswunder die Gesellschaft veränderte, machte sich das auch in den Rassegeflügelzuchtvereinen bemerkbar. Für viele war es aufgrund des kontinuierlich steigenden Lebensstandards nicht mehr zwingend notwendig, mit ihrem Hobby die Lebensmittelversorgung der Familie zu verbessern.

 

Viele konnten es sich mittlerweile leisten, Rassen zu halten, die weder besonders viele Eier legten, noch einen besonders üppigen Braten abgaben. Es reichte den Züchtern solcher Rassen, sich an deren Schönheit oder anderer besonderer Merkmale zu erfreuen. Zu diesem Umstand trug sicher auch bei, dass man sich nun auch Urlaube in fremden Ländern leisten konnte. Dort lernte man noch andere Rassen kennen, die einem noch besser gefielen, als die heimischen Rassen. Das gab dann der vorhandenen Rassenvielfalt noch einmal einen zusätzlichen Schub. In dieser Zeit, also vom Anfang der 50erJahre bis Ende der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts, war die Rassegeflügelzucht, zumindest in Deutschland, wohl auf ihrem Zenit.

 

Das war aber auch nur möglich, da die Infrastruktur für die private Kleintierhaltung im Allgemeinen, und die Geflügelhaltung im Besonderen, noch wesentlich besser war, als heute. Es war einem großen Teil der Bevölkerung ohne größere Umstände möglich, Geflügel zu halten. Im ländlichen Bereich war sowieso fast jedes Anwesen für die Haltung von Kleinvieh ausgelegt. Aber auch im nach dem Krieg boomenden Siedlungsbau war erkennbar, dass die Tierhaltung staatlicherseits nicht nur geduldet, sondern sogar gewollt war. Bis in die siebziger Jahre konnten Häuslebauer mit Zuschüssen oder verbilligten Darlehen rechnen, wenn sie sich verpflichteten, Nutztiere zu halten und dafür Stallungen zu bauen. So wurde auf fast jedem ländlichen Anwesen und auf vielen Grundstücken der Neubausiedlungen Geflügel gehalten. Durch diesen Umstand gab es natürlich auch kaum Nachbarschaftsstreitigkeiten wegen krähender Hähne. Es war eben ganz normal, dass früh am Morgen Hähne krähten.

 

So hatte ein großer Teil der Bevölkerung quasi von Kindesbeinen an ständig mehr oder weniger Kontakt mit Geflügel. Väter und Großväter förderten das Interesse der Kinder an Rassegeflügel. Oftmals ließ der Opa die Enkel schon als Mitglieder im örtlichen Rassegeflügelzuchtverein eintragen, bevor sie eingeschult wurden. Selbst wenn die Jugendlichen einige Jahre später ihr Augenmerk auf andere Dinge lenkten, war das meist nur eine Auszeit für einige Jahre. Wenn ein Beruf erlernt, eine Familie gegründet war und das Leben wieder in geordneten Bahnen ablief, fand man in der Regel auch wieder zu seinem Hobby zurück. So wuchsen die Vereine über die Jahre und brauchten sich auch keine Sorgen um sinkende Mitgliederzahlen zu machen.

 

Die Trendwende setzte in den siebziger Jahren ein. Auf dem Land begann das Höfesterben. Die dörflichen Strukturen zerfielen zum größten Teil. Wo früher 20 oder 30 Bauern die Äcker bewirtschafteten und in kleinen Einheiten Vieh hielten, blieb am Ende nur ein Landwirt übrig, der mit High Tech und großem Kapitaleinsatz die Flächen aller Bauern bewirtschaftete. In diesen hoch spezialisierten Betrieben war für einen Stamm Rassehühner oder einen Taubenschlag in der Regel kein Platz mehr. So sind heute mittlerweile Geflügelhalter sogar in den Dörfern zur Rarität geworden. Nicht zuletzt auch deswegen, weil die Nachfolgegeneration der ehemaligen Bauern als Arbeiter und Angestellte oftmals auch den Bezug zum landwirtschaftlichen Leben verloren hat. Wenn man nach einer stressigen Arbeitswoche ein ruhiges Wochenende genießen will, ist man von dem Hahn des Nachbarn, der morgens um 5 Uhr kräht, nicht sonderlich begeistert.

 

So wurde es unter anderem auch durch die immer geringer werdende Bereitschaft, das Krähen von Hähnen hinzunehmen, für die Rassegeflügelhalter immer schwieriger, ihrem Hobby zu frönen. Als dann auch noch vor einigen Jahren, bedingt durch die Vogelgrippe, immer mehr bürokratische Hürden aufgebaut wurden, war für viele Rassegeflügelhalter der Punkt erreicht, ihr Hobby aufzugeben.

 

Nun ist es bei der Geflügelhaltung, wie auch bei jedem anderen Hobby, es gibt nicht solche, die aufgeben, sondern auch solche, die allen Hindernissen zum Trotz sich diesem schönen Hobby widmen wollen. Allerdings haben sich die Ansichten, wie sie die Geflügelhaltung gestalten wollen, bei vielen geändert. War es früher der Normalfall, sich einer bestimmten Rasse zu widmen, gibt es nun immer mehr Menschen, die an einer bunten Hühnertruppe mehr Gefallen finden, als an einem Stamm Rassehühner. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass es oft Probleme für die jeweilige Gruppierung gibt, die Beweggründe des Anderen zu verstehen und nachzuvollziehen.

 

Für einen Rassegeflügelzüchter z. B. ist es unverständlich, dass man Kreuzungshühner, die zwar bunt, aber keiner Rasse mehr zuzuordnen sind, einem Stamm Rassehühner vorzieht. Die Hobbyzüchter dagegen können nicht nachvollziehen, dass man seine Tiere mehrere Tage in einen Käfig setzt, um sie auf einer Ausstellung bewerten zu lassen. So werden oftmals durch Voreingenommenheit unnötigerweise Mauern aufgebaut, die es verhindern den Anderen kennen zu lernen und vielleicht den einen oder anderen Beweggrund des Gegenübers sogar nachvollziehen zu können.

 

Wenn es beiden Gruppen mit einiger Toleranz gelingen würde, sich in einem Verein zusammenzutun, könnten alle davon profitieren. Es kann sicher nur von Vorteil sein, sich die Argumente des anderen anzuhören. Das setzt natürlich voraus, dass man bereit ist, sich damit unvoreingenommen auseinanderzusetzen und gegebenenfalls die eigenen Positionen auch mal kritisch zu hinterfragen.

 

Sicher gibt es auch ganz praktische Gründe, so einem Vorhaben positiv gegenüber zu stehen. Es ist z. B. für viele nicht organisierte Geflügelhalter schwierig, an Impfmittel zu kommen. So wird in einigen dieser Bestände nicht kontinuierlich geimpft. Da viele Vereine regelmäßig Impfstoff an ihre Mitglieder abgeben, hätten somit auch die bis dahin nicht organisierten Geflügelhalter die Möglichkeit, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen ihrem Hobby nachzugehen. Sicherlich würde den Vereinen auch die eine oder andere neue Idee bezüglich der Vereinsstrukturen gut tun. Deshalb würden wir Rassegeflügelzüchter uns freuen, wenn auch Geflügelhalter, deren Hauptaugenmerk nicht auf Rassegeflügel und Ausstellungen liegt, sich uns anschließen.

 

Wir sind der Meinung, dass es trotz teilweise unterschiedlicher Ansichten sicher auch viele Gemeinsamkeiten gibt, die so einen Versuch sinnvoll erscheinen lassen. Denn nur wenn wir alle gemeinsam antreten, um die Interessen der Geflügelhalter zu vertreten, wird es uns gelingen, unser Hobby in akzeptabler Weise auch in Zukunft ausüben zu können.

 

Autor: Ernst Niemann, Halle